Timo Peiter *my new life
Du bist erst gescheitert, wenn Du aufgibst

Mein erster Besuch der Thorax-Klinik


Ich denke, es ist auch mal wieder Zeit für einen positiven Bericht aus der westlichen Medizin. Also los.

Beim letzten Regeltermin in der Ambulanz für ALS und andere Motoneuronerkrankungen der Charité in Berlin, zeigte sich meine Lungenkapazität wieder auf dem absteigenden Ast. So bekam ich die Empfehlung, eine Lungenfachklinik mit Erfahrungen bei ALS aufzusuchen. Hier sollte geprüft werden, ob Hustenassistent und/oder nicht invasive Beatmung bei mir möglich beziehungsweise sinnvoll ist.

Gar nicht so einfach, die Aufgabe, eine solche Klinik zu finden, wenn man nicht gerade mitten in einem Ballungsgebiet, sondern bewusst mitten in der Natur "auf dem Land" wohnt. Selbst die Koordinatorin in Berlin konnte  mir helfen - sonst eigentlich immer. Aber es gestaltete sich wirklich schwierig. Nur der Glücksfall, dass ich jede Woche zwei bis drei Mal zur TCM in Heidelberg bin und genau in Heidelberg eine solche Klinik zu finden war, brachte mich zur Thoraxklinik in Heidelberg. Also alle Vorfeld-Themen per Telefon und Email geklärt und auf geht es zum Termin am 07. November um 09:00 Uhr.

Ich mit meinem Rollator vor der Thorax-Klinik, Heidelberg.

Stimmung: angespannt.











Ankunft in Heidelberg, kurz vor neun, perfekt. Gleich zur Anmeldung , wo es trotz vier Anmeldestationen, gleich einmal warten hieß, aber nicht lange.

Von der Anmeldung ging es dann, geführt, weil vor uns ein Klinik-Irrgarten lag - auf den Weg zur Ambulanz für Mukoviszidose/Heimbeatmung und hier zur nächsten Anmeldung. Den Datensatz "Peiter, Timo" um Körpergröße und Gewicht erweitert, mein rechtes Ohrläppchen eingecremt (gute Durchblutung im Ohrläppchen macht das Röhrchen für den Test der Sauerstoffsättigung schneller voll...)  und warten. 

Und dann ging es los. Lungenfunktionstests. Erst sitzend in einer Kabine, mit einem Schlauch mit Mundstück im Mund, präzise Anweisungen befolgen: normal atmen, jetzt gaaaaaaanz tieeeef einatmen und die ganze Luft ganz schnell wieder raus. So gab es ein paar, erstaunlich anstrengende, unterschiedliche Test mit kurzen Pausen zwischendurch.

Dann wurde umgebaut: Alle Stühle weg, ich mit Rollator zur Seite und eine Liege vor die Kabine geschoben.

Dann ging es in Rückenlage auf der Liege weiter. Auch wieder die Atemübungen mit Rohr im Mund und einem langsam schon ordentlich brennenden rechten Ohrläppchen.

Aber damit waren die Lungenfunktionstests überstanden und meinem Ohrläppchen sollte es bald an den Inhalt gehen, aber erst nochmal kurz warten. 

Dann war es endlich soweit. Endlich die Salbe vom Ohrläppchen abgewischt, dann ein Röhrchen Blut um darin die Sauerstoffsättigung zu messen. Das letzte noch fehlende Puzzleteil für das Bild "Ein erster Blick auf die Lunge des Timo Peiter". Ich hoffe, die Ärztinnen hatten viel Spaß beim puzzeln.

Nach wieder nicht langer Wartezeit, ging es dann in ein ausführliches Gespräch mit einer Ärztin, die sich sowohl mit der Lunge auskennt und zumindest die notwendigen Grundlagen von ALS beherrscht. So haben wir zuerst mal über meine Erkrankung gesprochen und sind dann zur Lunge übergegangen: Der Beginn, die erste Symptome, der Verlauf, was am meisten Stört, wie es mit dem Schlucken geht, wie ich nachts schlafe, ob ich tagsüber müde bin und schlafe und so weiter.

Dann ging es in die Zahlenwelt meiner Lunge - irgendwie hatte ich mir das Puzzle anders vorgestellt, aufregender. Die Werte wurden mir anschaulich erklärt und ich habe mitgenommen: die Lunge ist nicht mehr ganz so fit, aber noch nicht so fertig, dass man aktuell über Beatmung nachdenken müsste. Natürlich können bei ALS auch hier keine Prognosen abgegeben werden, wie lange das noch so bleibt. 

Bezogen auf mein Problem mit dem Schleim sieht das anders aus. Hier hat man mir das Rezept für das Rüstzeug zum Inhalieren in Aussicht gestellt um den zähen Schleim zu lösen.  Über Hustenassistent und gegebenenfalls Beatmung müsse sie erst noch Rücksprache mit der Oberärztin halten.

Also nochmal warten, aber wieder überraschend kurz. 

Gesprächsrunde mit Ärztin und Oberärztin. Diese ebenfalls sehr kompetent. Den Hustenassistenten halten beide für sinnvoll, schon jetzt um zu üben und den Umgang mit dem Gerät zu lernen. Für den Tag, an dem wirklich etwas aus der Lunge raus muss, ich es mit meinem, dann wohl hüsteln, aber nicht mehr schaffe. Zuerst müssen wir noch testen ob ich mit dem Gerät überhaupt kompatibel bin und nicht durch den Druck des Assistenten der Verschluss in mir zuklappt. Ist wohl bei ALS ein schmaler Grat zwischen "klappt super" und "klappt nicht". Dieser Test sollte im Anschluss durch eine Atemtherapeutin, die heute - zumindest auch - für mich hier eingeplant war, durchgeführt werden. Allerdings äußerte die Oberärztin hier schon Zweifel, ob die Maske des Hustenassistenten mit meinem Bart dicht abschließt. Sie legte mir den Gedanken schon bedenklich nahe, mich von meinem Bart trennen zu müssen. Mein erster Gedanke: Jetzt kennt die mich seit 10 Minuten und fängt gleich so an. Na das wird ja super.

Die nicht-invasive Beatmung ist auch für die Oberärztin noch kein Thema. Für das weitere Vorgehen haben wir dann regelmäßige Treffen, alle vier Monate, festgelegt und schauen wie es aussieht und wie und womit es weiter geht.

Dann Stand noch der spannende Test des Hustenassistenten auf dem Programm. Die Atemtherapeutin kam direkt vom Notfalleinsatz im OP. Noch schnell einen Raum suchen und es ging los: Demonstration, Test (mit mir) und (wenn Test positiv) Einstellung des Hustenassistenten:





So sieht er aus (ohne Schlauch und Maske)


Dazu gab es erst eine theoretische Einführung in das Gerät und die Bedienung und gleich auch hier die Bedenken wegen meines Bartes. So langsam wird es bedenklich. Und dann hieß es zum ersten Mal für mich "mit der Maschine Atmen". Ein sehr ungewohntes Gefühl, wenn beim Einatmen zusätzlich Luft in mich rein gedrückt wird. Aber wir haben ja langsam angefangen, also mit wenig Druck über relativ lange Zeit. Dieser Druck wurde dann langsam, schrittweise gesteigert und die Dauer ebenfalls variiert, bis wir Werte gefunden hatten, die zu mir passen beziehungsweise mit mir funktionieren.

Dann folgte der spannende Teil. Das Gerät saugt nämlich auch ab, zieht also beim Ausatmen - oder beim Husten - Luft aus mir heraus. Und genau das ist bei ALS Patienten der Knackpunkt. Also auch zunächst mit geringer Saugleistung angefangen und schrittweise gesteigert bis die Werte (Luftvolumen) wieder schlechter wurden. Dann sind wir an das andere Ende der Möglichkeiten gesprungen. In zwei Schritten auf maximale Saugleistung in sehr kurzer Zeit. Also genau so, wie ich mir ein Husten vorstelle. 

Hat eher so mäßig geklappt - von meinem Gefühl her - aber die Werte waren eindeutig besser. Um das zu lösen kam ein Feature des Hustenassistenten zum Einsatz: Oszillation. Der Luftsog vibriert quasi. Schwer zu beschreiben. So ein bisschen, wie eine Vollbremsung mit ABS. Aber damit war auch mein Gefühl deutlich besser und die Werte super.

Die letzte Einstellung war dann die Aktivierung der Maschine mit meiner Atmung.

Ergebnis: Super, die perfekte Variante für mich. Und alles mit Bart! Die Maske des Hustenassistenten hat einen super weichen Rand und scheint sogar mit Vollbart sauber abzuschließen. Man darf ja auch mal Glück haben...

Also lässt die Atemtherapeutin mein Gerät wird mit zwei "Programmen" bespielen. Einmal mit Vollautomatik und einmal so, dass ich mit meiner Atmung aktivieren kann. Dabei fällt mir auf dass "Hustenassistent" ein ziemlich unhandliches Wort ist. Der wird, wenn er bei mir einzieht, erst mal einen handlichen Namen bekommen. Irgendwas freundliches, es soll mir ja helfen.

Zum Abschluss ab es noch die Rezepte für die Inhalation und einen neuen Termin in vier Monaten.

Unter dem Strich wahren so drei Stunden vergangen, aber sehr positiv, sehr nette Menschen, sehr kompetent (auch bezüglich ALS) und hilfsbereit. Und bei mir ein gutes Gefühl, das mir hier geholfen wird. Und wenn es mal Eng wird mit der Atmung, weiß ich, wo ich hin kann.




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